Aufregung und Ablehnung: Was darf Kunst in Delitzsch?
Aufregung und Ablehnung: Was darf Kunst in Delitzsch?

Von Christine Jacob

DELITZSCH. Verrückt und quirlig, mal ganz was anderes – das war die diesjährige Aktion der Theaterakademie Sachsen zur Nacht der Türme in Delitzsch. Die gespielte kleine Invasion Außerirdischer erhitzte die Gemüter und die Diskussion treibt Kunst- und Kulturschaffenden um. Die Studenten der Theaterakademie Sachsen verwandelten den Breiten Turm in ein Theater. Sie traten als Außerirdische auf ihre Art in Kontakt mit den Gästen, blieben stets in ihrer Rolle des Alienhaften. Wie es immer so ist: Die Performance traf scheinbar nicht den Geschmack aller, so mancher fühlte sich wohl gestört und machte ein Diskussionsfass auf. So brach wie schon als der erste den vermuteten Penis an der Freibadmauer entdeckte eine Diskussion in der F a c e b o o k - G r u p p e „Du bist ein echter Delitzscher wenn...“ los.

Als zu skurril, zu aufdringlich, zu schräg, dreist und nervend empfanden manche das Gezeigte. Das gehöre nicht hier nach Delitzsch, nicht in die historischen Mauern, nicht zu so einer Veranstaltung und dürfe nicht wieder vorkommen. Die  Kommentare – „Wie kann man sowas zulassen?“ – lesen sich stellenweise wie ein Best of der Angst vor Anders- und Fremdsein: „Für diese skurrile Form der Kunst eignet sich die Historie um unsere Türme nicht.“ heißt es oder auch, dass Kunst das sei, was auch in 100 Jahren noch als solche anerkannt werde. Sogar der Oberbürgermeister wird um eine Stellungnahme gebeten und reagiert – wie schon in der Causa Freibadpenis – gelassen: „Die Freiheit der Kunst hat viele Facetten“, so Manfred Wilde (parteilos). 

Und auch andere Kommentatoren verteidigen leidenschaftlich die Freiheit der Kunst. Genau diese Diskussion und dieser Diskurs seien wertvoll, ist man an der Theaterakademie Sachsen überzeugt. Während im vergangenen Jahr eher klassischer Stoff geboten wurde, war es dieses Jahr ein experimentellerer Beitrag, den Regisseur Ansgar Schäfer bot – ein Stoff, der auch zum Nachdenken anregte, wenn das „Alien“ beispielsweise das Handy wegnahm und so den ständig multitaskenden Besucher mal zur vollen Konzentration auf eine Sache herausforderte. Zur Kreativität gehöre, dass jeder etwas anderes darin sieht und der eine etwas als gelungen und der andere etwas als unpassend empfinde. Der Ansatz sei streitbar gewesen – positiv wie negativ. Die Unsicherheit der Delitzscher hinsichtlich gewagterer Kunst und Kultur ist auch anderen nicht unbekannt. „Ich persönlich fand es auch nicht prickelnd“, sagt Rico Eichler, der regelmäßig Kultur im Schlosskeller organisiert. Auch bei ihm sei die Theaterakademie schon aufgetreten und das habe ihm vollkommen gefallen. Kunst sei eben auch Geschmackssache. Er selbst würde gerne mal eine Travestieshow anbieten, traut sich dies aber bislang nicht aus Angst, die Delitzscher würden dann nicht kommen. „Kunst darf grundsätzlich alles“, ist auch Markt-20-Betreiber Jens Müller überzeugt. Jedoch sei fraglich, ob sich auch jede Art von Kunst in Delitzsch verkaufe – Geld verdienen müsse man als Veranstalter schließlich auch, weshalb es in Delitzsch wohl nicht zu extrem werden dürfe, so Jens Müller. Er kooperiert dieses Jahr mit der Akademie, mehrere Vorspiele werden im Kino stattfinden. Und der Delitzscher schätzt die Arbeit im Oberen Bahnhof: „Die Akademie muss auch mal Dinge ausprobieren, auch damit die Schüler was lernen“, erinnert er.

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