Theater bis ins Mark: „EXIT reality“ befasst sich mit Rassismus
Theater bis ins Mark

Erst nach einer Weile bricht der Beifall aus den Premierengästen heraus. Helen und Danny, vor wenigen Tagen haben sie erfahren, dass sie Eltern werden, wollen einen romantischen Abend verbringen. In den platzt Helens Bruder Liam. Blutüberströmt. Erst sagt er, das Blut klebe an ihm, weil er einem verletzten  Mann helfen wollte. „Irgend so ein Typ...“, sei das, „ein Araber“. Helen, seit dem Tod der Eltern fühlt sie sich verantwortlich für Liam, will nicht, dass Danny zur Polizei geht. Der will dem „da draußen“ helfen und warnt, dass er verbluten könne. Rede. Gegenrede. Was ist mehr wert? Die „heile“ Familie hier drinnen? Oder irgendwer da draußen? Noch dazu ein Ausländer? Es entwickelt sich ein Kammerspiel – treffend gespielt, packend inszeniert. Wenn Liam seine Hetze mit „Ich bin ja kein Rassist“ beginnt, will man vor diesem von Schauspielstudent Maximilian Westphal erschütternd zwischen Naivität und Brutalität angesiedelten Kerl unweigerlich die Arme verschränken, so widert er einen an. Zeit und Raum für die Tiefe der Figuren lässt Regisseur Stefan Kaminsky in seiner 90-minütigen Inszenierung. Da sitzt Jens Bache als Danny lange nur stumm am Küchentisch und seine Zweifel, ja sein Verzweifeln überträgt sich auf die Zuschauer. Wenn das Schattenbild von Helen (Maximiliane Hanusch) und Danny zu sanfter Popmusik deren Entfremdung zeigt und sie an Abtreibung denkt, weil die Welt eine schlechte ist ... da müsste wie Liam zu Kälte fähig sein, wer nicht mit Gefühlen kämpft. Und so bleibt die Kehle trocken, als Danny – nachdem er einen von Stichen durchbohrten und mit Benzin überkippten Mann „da draußen“ gefunden hat – offenbart, was sein Schwager getan hat. Dieses Stück schmerzt. Gut so. Wahrheit tut weh.

Das Stück ist am Sonntag um 19 Uhr im Rahmen des Theatersonntags zu sehen. Ab 15 Uhr öffnet die Akademie, zu erleben sind auch drei Musical-Programme.

Text & Foto: Christine Jacob

 

 

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